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Fachartikel aus MECHATRONIK 6/2020, S. 6 bis 9

HMS

Wie sich der IIoT-Lernprozess beschleunigen lässt

Digitalisierung lässt sich nicht schlagartig umsetzen, sondern ist ein Prozess, der schrittweise und in aufeinander aufbauenden Stufen ablaufen wird. Dafür müssen sich die Verantwortlichen unterschiedlichen Lernprozessen stellen, um die jeweils notwendige Wissensbasis zu schaffen. Betroffen davon sind keineswegs nur technische Themen, ebenso geht es z. B. um Verwaltungsstrukturen, Sicherheitsfragen, Kundenerwartungen und vieles mehr. Lernen erfordert dabei immer iterative Prozesse, braucht also Zeit, und oft werden Fortschritte erst nach Fehlern erzielt, was dann nicht nur Zeit, sondern auch Geld kostet. Bleibt also die Frage, wie sich die schrittweise Digitalisierung für das eigene Unternehmen am besten vorantreiben lässt.

Bild: HMS
Make or Buy: Im Alleingang oder mit Partner? (Bild: HMS)

Die Digitalisierung wird häufig als Stufenmodell dargestellt und lässt sich in 4 Stufen gliedern. Die erste Stufe dient der Steigerung der Betriebseffizienz mit dem Ziel, die Produktivität zu steigern. Daten aus den Fertigungsanlagen werden gesammelt, um den Produktionsprozess besser zu kontrollieren, die Flexibilität zu erhöhen und die Betriebskosten zu senken. Die meisten Unternehmen befinden sich aktuell auf dieser Stufe. Den nächsten Schritt sind auch schon einige gegangen. Hier geht es um die Realisierung neuer Produkt- und Serviceangebote wie Pay per Use, Datenmonetarisierung und softwarebasierte Dienstleistungen. Daran schließt sich die Stufe der Ergebnisökonomie mit ihren datenbasierten Geschäftsmodellen an. Unternehmen werden dann die Lieferung auf Waren oder Dienstleistungen umstellen, die ganz individuelle Kundenherausforderungen lösen und messbare Ergebnisse erzielen. Stufe vier wäre dann die smarte Fabrik, die auf vollständiger Digitalisierung mit autonomen Systemen sowie künstlicher Intelligenz basiert und schlussendlich eine individuell und autonom gesteuerte Produktion ermöglicht.

Erster Proof of Concept entscheidet

Soweit die Theorie. Wie die Praxis aussieht, kennt die Karlsruher Firma HMS Industrial Networks. Das Unternehmen ist einer der führenden, unabhängigen Anbieter von Lösungen für die industrielle Kommunikation sowie das Industrial Internet of Things (IIoT) und hat mittlerweile in IIoT-Projekten in den unterschiedlichsten Branchen viel Kompetenz erworben. „Aus vielen Kundengesprächen wissen wir, dass die Motivation zum Start der Digitalisierung zwar unterschiedlich ist, ein erfolgreiches Vorgehen aber immer Engagement und klar definierte Erwartungen verlangt, z. B. im Hinblick auf die Kapitalrendite“, berichtet Thierry Bieber, Industrie Segment Manager Industrial Automation bei HMS. Deshalb ist es empfehlenswert, sich bei einem ersten Proof of Concept (POC) auf einige schnelle Gewinne zu konzentrieren.

Es gibt prinzipiell viele Möglichkeiten, selbst eine IIoT-Lösung zu realisieren: z. B. indem die Daten mit kostengünstiger Hardware an eine Cloud-Plattform übertragen werden, Open-Source-MQTT-Treiber implementiert werden und der Umgang mit einer IoT-Plattform wie Microsoft Azure oder Amazon Web Services (AWS) erlernt wird. Aber welche Kosten werden nach der Umsetzung gespart und wie viel Zeit und Fachwissen sind erforderlich, um hier einen ersten POC zu erstellen? HMS rät seinen Kunden deshalb zu einem kalkulierbaren Vorgehen, z. B. mit einem industriellen IoT-Gateway. Das ist eine integrierte IIoT-Lösung, digitale oder analoge Sensoren einer Maschine können einfach an eine Plattform „angeschlossen“ werden. Gleichzeitig lassen sich auch Daten von einer Maschinen-SPS abrufen, Alarme oder Visualisierungs-Dashboards lokal erstellen und auf ein Cloud-Konto spiegeln. Der erste POC kann so in etwa einem halben Tag auch von Mitarbeitern ohne IT-Fachwissen erstellt werden und dem Management schnell aussagekräftige Ergebnisse demonstrieren. Die Schritte der IIoT-Strategie lassen sich zügig validieren oder anpassen, um die Grundlage für den folgenden Schritt zu schaffen.

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Make or Buy: Digitalisierung im Alleingang oder mit Partner? (Bild: HMS)

Der könnte dann so aussehen, dass jetzt die neue IIoT-Lösung beim eigenen Pilotkunden implementiert wird, z. B. um eine Fernwartung zu realisieren. Hier ergeben sich weitere Herausforderungen. Es gilt unterschiedliche Kommunikationsstandards zu implementieren, weil die Lösung z. B. in verschiedenen Märkten installiert werden soll und mit allen wichtigen Steuerungen interagieren muss, die jeweils ihre eigenen Standards haben. Auch die Cloudanbindung kann zur Herausforderung werden, weil beispielsweise jetzt zusätzlich drahtlose Technologie oder Mobilfunktechnologie für die Kommunikation berücksichtigt werden muss.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, bei der Digitalisierung Unterstützung zu haben oder wirklich alles allein zu machen. „Wer selbst verschiedene Technologien, Software und Hardware mit einer starken eigenen Implementierung zusammenstellt, hat natürlich immer die volle Kontrolle, muss aber auch viel Zeit und Fachwissen investieren“, gibt Bieber zu bedenken. „Für das zuletzt geschilderte Szenario beispielsweise bieten unsere verschiedenen Edge-Familien eine Lösung „von der Stange“, mit der Anwender jeden Markt ansprechen können. Dies beinhaltet die Unterstützung gängiger Feldbusse für eine schnelle Prozessdatensynchronisation, aber auch der SPS-eigenen Messaging-Protokolle zum Auslesen von Daten aus der SPS-CPU ohne Programmänderungen, was bei Brownfield-Installationen ideal ist.“

Sicherheitsanforderungen und Kundenakzeptanz

Der Erfolg einer solchen IIoT-Lösung hängt dann stark mit der Akzeptanz der Endkunden zusammen, die externe Konnektivität und gemeinsame Datennutzung zulassen müssen. Fernzugriffsdienste sind dafür ein gutes Beispiel. „Die meisten Maschinenbauer, die zu uns kommen, haben diese Maschinenkonnektivität bereits genutzt, um Fehler zu beheben, ohne das Büro zu verlassen. Ungefähr 10 % der Maschinen sind heute mit entsprechenden Lösungen ausgestattet, die häufig auf einer Softwarekonnektivität wie Teamviewer oder normalen IT-Routern basieren“, fährt Bieber fort. Allerdings gilt es Sicherheit zu gewährleisten. Die Implementierung eines VPN-Tunnels oder einer TLS-Verschlüsselung für die Kommunikation reichen hierfür nicht aus. Zertifizierungen gemäß Sicherheitsstandards wie ISO 27001 oder IEC 62443 sind wichtige Aspekte bei der Lösungsauswahl, verkürzen die Zeit für Sicherheitsaudits deutlich und führen zu hoher Kundenakzeptanz. Dies ist eine der größten Herausforderungen für diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, eine IoT-Lösung selbst zu realisieren und erfordert massive Investitionen und organisatorische Anpassungen im Unternehmen.

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Make or buy? Die Gegenüberstellung erleichtert die Entscheidung. (Bild: HMS)

Mit kompetenter Unterstützung lassen sich diese Prozesse besser, schneller und schlussendlich auch kostengünstiger bewältigen. Eine sichere Edge-Gateway-Plattform, die zuverlässige Kommunikation mit verwalteter Datenintegrität (kein Datenverlust bei Problemen mit der Internetverbindung) und eine sichere, hochverfügbare Cloud-Plattform, die regelmäßig mit simulierten Angriffen getestet wird, sorgen für durchgängige Datensicherheit. Spätestens dann, wenn Unternehmen IIoT-Lösungen weltweit nutzen wollen, gilt es – neben der Anwenderakzeptanz und Sicherheit – den Faktor Zeit zu berücksichtigen, denn neue Wege sind mit vielen Unsicherheiten und Lernschritten verbunden. Lange Lernzyklen werden heute nicht mehr akzeptiert, da Time to Market immer wichtiger wird. „Unterstützung bei der Digitalisierung rechnet sich deshalb. Wir sehen immer wieder bei unseren Kunden, wie sinnvoll es sein kann, wenn diese sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Für die Endanwender lässt sich so deutlich höherer Mehrwert generieren, was wiederum die Akzeptanz steigert“, betont Bieber.

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Anybus Edge ist ein industrielles IoT-Gateways von HMS. (Bild: HMS)

Make or buy?

Ist es also wirklich eine gute Idee, die Digitalisierung selbst in Angriff zu nehmen, oder ist es passender, Lösungen und Wissen zuzukaufen? Entscheidet man sich für ersteres, hat man die Kontrolle über die zu implementierenden Technologien und Funktionen. Allerdings ist ein hohes Maß an Fachwissen und Ressourcen erforderlich, um eine Infrastruktur für die IIoT-Konnektivität aufzubauen und anschließend über viele Jahre zu warten. Die Implementierungs- und Lernkurve führt obendrein meist zu einer späteren Markteinführung. Hinzu kommt das interne Risiko- und Leistungsmanagement bei Dienstleistungen sowie die Investitionskosten für Hardware, Lizenzen, Schulungen etc.

Wer sich fürs Zukaufen entscheidet, kann sich dagegen auf das eigene Fachwissen konzentrieren und verkürzt seine Time to Market. Darüber hinaus profitiert der Anwender erheblich von bewährten Lösungen für die IIoT-Konnektivität, Lieferanten-SLA (Service Level Agreement) inklusive. Zudem lassen sich die Kosten vorausschauend kalkulieren und gemeinsame Infrastrukturen nutzen. Einzige Voraussetzung: Man muss sich auf die „gekauften“ Technologien verlassen können. „Dann entsteht eine gute Basis für eine stabile und langfristige Partnerschaft während des gesamten Digitalisierungsprozesses“, so Bieber abschließend.